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Grabungen Pirchboden in Fritzens

1979 entdeckte unser Vereinsmitglied und Kustos der vorgeschichtlichen Sammlung im Museum, Hans Appler, den Fundplatz “Pirchboden“ oberhalb von Fritzens.

Eine von Dr. Sydow im Jahre 1983 durchgeführte Sondierung bestätigte die Annahme, dass es sich dabei um einen vorgeschichtlichen Siedlungsplatz handelt.

Seit 1995 führt das Institut für Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der Universität Innsbruck jährlich in Zusammenarbeit mit unserem Verein umfangreiche Grabungen im Rahmen von Lehrgrabungen für Studenten durch. Hans Appler ist von Anbeginn an dabei und hat darüber zahlreiche Berichte und Zeichnungen in den „Heimatkundlichen Blättern“ veröffentlicht (siehe Literaturverzeichnis).

Im Juni 2006 findet die vierzehnte Grabungskampagne statt, wozu forschungsinteressierte Besucher herzlich willkommen sind.

Als besonderer Fund gilt derzeit ein aus einem Hirschgeweih geschnitzter 32cm langer Harfenarm mit rätischer Inschrift (2000 Jahre alt).



Grabung am Pirchboden von Univ. Prof. Dr. Gerhard Tomedi

Der Pirchboden oder die Müller-Eben ist ein Relikt einer alten Flussterrasse und liegt am Rande des Hochplateaus des Gnadenwaldes an der Abbruchkante zum Inntal. Die Kuppe selbst ist von Ost nach West schwach fallend, der Süd- und Westabhang mäßig steil, während der Ost- und Nordhang recht steil abbrechen. Der Berg ist also von Natur aus schon wehrhaft.

Auf Initiative von einem der drei Entdecker der Fundstelle, Hans Appler, hatte in den 80-er Jahren Wilhelm Sydow dort erste Sondierungen durchgeführt, sodass wir über die Zeitstellung der einzelnen Objekte recht gut informiert sind (1). Seine Grabungen wurden durch den Heimatkunde- und Museumsverein Wattens-Volders finanziert. Mehrere verrundet-rechteckige Gruben rühren von eingetieften Häusern mit Steinfundamenten her. Unter einer Geländekante verbirgt sich vermutlich noch ein weiteres fest gefügtes Haus. Kleinere künstliche Plateaus bergen vermutlich noch mehrere Wirtschaftsgebäude. Eine mit einem ringförmigen Erdwall eingefasste Grube dürfte als Zisterne gedient haben, wie neuere Bohrlochsondagen bestätigten. Die heute noch an der Ost- wie auch der Nordkante des Plateaus mehr oder weniger deutlich erkennbaren Überhöhung rühren von einem Wall her. Nach den Funden der Sydowschen Grabungen ist dessen letzte Ausbauphase wohl in die Mittellatènezeit zu datieren (2). Pfostenlöcher und Kohleschichten unter der späteren Wallschüttung lassen vermuten, dass hier zuvor ein Wall in Holz-Stein-Konstruktion stand. Am Südhang des Pirchbodens ist noch heute noch ein Altweg zu beobachten, der mit geringer Steigung das Plateau erreicht.

Im Zuge von Lehrgrabungen des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, die logistisch vom Heimatkunde- und Museumsverein Wattens-Volders unterstützt werden, konnte der Bereich in und um Haus 2 flächig untersucht werden. Haus 3 und 1 wurden bislang nur teilweise ausgegraben.

Das Untergeschoss von Haus 2 wurde in den leicht fallenden Hang eingetieft. Die trocken aufgemauerten Wände sind teilweise noch bis zu einer Höhe von 2,3 m erhalten. Zu betreten war das Haus durch einen langen seitlichen gemauerten Korridor. Es gehört damit zum Bautyp der casa retica. Von seinen Maßen her kann es als durchaus monumental bezeichnet werden, jedenfalls übertreffen seine Grundmaße mit 11,5 x 9 m sämtliche anderen Steinbauten in Nordtirol. Überraschenderweise wurde das Haus bereits in der Hallstattzeit errichtet, wie gut stratifizierte Keramik aus der Herdgrube lehrt. Dann hatte man wahrscheinlich das Haus für längere Zeit aufgegeben und erst in der späten Latènezeit nochmals instandgesetzt. Es wurde schließlich in der späten Latènezeit durch einen katastrophalen Brand zerstört, wobei auch ein Gutteil seines Inventars in den Brandschutt geriet (3).

Verbrannte Fragmente von Bronzeblechgefäße aus den Häusern 2 und 3 sind als Prestigegüter zu betrachten. Der schönste Fund aus Haus 2 ist sicher ein Stab aus Hirschgeweih (Bestimmung Prof. Dr. Joris Peters, Institut für Paläoanatomie und Geschichte der Tiermedizin, Universität München) mit rätischer Inschrift, war mit einiger Wahrscheinlichkeit Teil einer Winkelharfe.

Nach der Analyse des Fundgutes der bereits von Sydow sondierten Häuser konnte aufgezeigt werden, dass schätzungsweise dort pro Generation ein oder allenfalls zwei festgefügte große Häuser bewohnt wurden. Daher ist auch nur eine geringe Einwohnerzahl zu ermessen.

Zumal die Ansiedlung auch über eine Befestigung verfügte, stellt sich die Frage nach dem fortifikatorischen Nutzen des Walles, wenn nun eine recht geringe Bevölkerungseinheit hier zu vermuten ist, die eine dermaßen lange Befestigungsanlage wohl kaum verteidigen konnte. Bezieht man allerdings auch die schon in den zwanziger-Jahren entdeckten Siedlungsreste am Fuß des Pirchbodens in die Betrachtungen mit ein (4), so könnte man doch durchaus eine kleinregionale Siedelstruktur rekonstruieren, bei der die Kuppe den Ansitz einer Persönlichkeit von hohem Rang und Status trug, während seine Hintersassen am Fuß des Berges ihre Häuser errichteten Ein Akropolis-Modell wäre demnach wohl angebracht, bei dem eine Elite abseits der sonstigen Bevölkerung gewissermaßen residiert (5). Nur so lässt sich die Frage nach den Gemeinschaftsleistungen wie die Errichtung des Walles oder des mit Wagen befahrbaren Weges, der den Pirchboden mit der talnahen Siedlung verbindet, einigermaßen begründen. Prestigegüter wie der Geweihstab aus Haus 2 oder ein Bronzeblechgefäß aus dem schmalen Sondierungsschnitt in Haus 3 mögen die Bedeutung der Ansiedlung zudem unterstreichen.

Die gut gefügten Häuser und das darin gefundene feine Geschirr, das Fragment eines Bronzeblechgefäßes wie auch ein reich beschnitzter Hirschgeweihstab - vermutlich Teil einer Winkelharfe - machen deutlich, dass wir hier keine Wilden antreffen, wie es uns die propagandistisch gefärbte römische Geschichtsschreibung glauben machen wollte, sondern vielmehr eine Gesellschaft, die ein Zivilisationsniveau und ein Kulturinventar erreicht hatte, das etwa dem des niederen Dorfadels einer vorindustriellen Zeit entsprach. Immerhin hatten die Räter ein beträchtliches technisches Niveau erreicht, das keineswegs dem der römischen Nachbarn unterlegen war.


Fußnoten:
(1) H. Appler, Die Kleinfunde vom Pirchboden, Gem. Fritzens. Grabungen W. Sydow 1981, 1983, 1984. Katalog und Tafeln. Heimatkundl. Bl. Wattens-Volders 6 (Wattens 1996) 21-27.
(2) G. Tomedi/H. Appler, Erste Ergebnisse der Grabungen auf dem Pirchboden (Müller-Eben) ober Fritzens. Ein Forschungsprojekt der Universität Innsbruck und des Heimatkunde- und Museumsvereins Wattens-Volders. Heimatkundl. Bl. Wattens-Volders 8 (Wattens 1999) 43-54.
(3) G. Tomedi und H. Appler, Eine befestigte Höhensiedlung der Eisenzeit am Pirchboden ober Fritzens (Bez. Innsbruck-Land). In: J. Zeisler/G. Tomedi (Hrsg.), Archäologische Forschungen in Ampass/Grabungsberichte aus Tirol. ArchaeoTirol Kleine Schriften 2 (Wattens 2000) 124 f.
(4) L. Franz, Die vorgeschichtlichen Altertümer von Fritzens. Schlern-Schr. 71 (Innsbruck 1950).
(5) S. Kurz, Neue Ausgrabungen im Vorfeld der Heuneburg bei Hundersingen an der oberen Donau. Germania 76/2, 1998, 527-547.

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